Mittwoch, 2. Februar 2022

Im Railjet Express von Stuttgart nach Tirol

ÖBB-Züge verfügen in der Regel über drei Eigenschaften, über die DB-Züge nicht verfügen: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Fußstützen. Und auch das gastronomische Angebot spielt in einer ganz anderen Liga. Folgerichtig haben wir uns zu Fahrtbeginn für etwas Besonderes entschieden: Frühstück im Zug. In meinem Fall das „Aktiv Frühstück“ mit ÖBB Schienenbienen Bio Honig. Letzterer ist wirklich wahnsinnig lecker. Auch der Cappuccino kann sich trinken lassen. 


Wir sitzen gemeinsam mit Marco am Vierertisch im Bordbistro. Marco und ich hatten gestern beim Telefonieren festgestellt, dass wir heute mit dem selben Zug nach Österreich fahren. Ein herrlicher Zufall, ein herrliches Frühstück. Da macht es auch gar nichts, dass der „Railjet Express“ von Stuttgart nach Ulm mit 1:16 Stunden deutlich länger unterwegs ist als andere Fernzüge (56 Minuten) und sogar als der Regional Express (1:04 Stunden). In Süßen steht er ein paar Minuten rum, um sich vom EC nach Graz überholen zu lassen. Auch wenn die Durchsage behauptet, dass wir einen entgegenkommenden Zug abwarten (was auf einer zweigleisigen Strecke wenig Sinn macht). Apropos Durchsage: „Sitzplatzreservierungsdatenbankübertragung beendet“ wurde gerade verkündet. Was für ein schönes Wort. 

Den Railjet Express 897 „Bregenzerwald“ gibt es erst seit dem letzten Fahrplanwechsel. Er fährt von Frankfurt am Main nach Wien. Aber nicht die direkte Strecke über Nürnberg, und auch nicht die indirekte Strecke über München, sondern die überhaupt nicht direkte Strecke über Bodensee und Arlberg. Bislang haben wir den Zug nur vor unserem Balkon vorbeifahren sehen, heute sitzen wir zum ersten Mal drin. Von Stuttgart (07:44 Uhr) bis nach Landeck-Zams (12:25 Uhr). 

Die sympathische Schaffnerin fragt mit Blick auf das Ticket, ob es von Landeck mit dem Bus noch weiter geht. Geht es, nach Serfaus. Sie erklärt, dass sie immer nach Kappel fährt. Sie kennt sich also aus im Tiroler Oberland. Im Weitergehen wünscht sie uns viel Spaß – und dass die Knochen heil bleiben. 

Auch die Toiletten sind in ÖBB-Zügen schöner

 

Am rechen Fenster erhascht man mittlerweile immer wieder Blicke auf den Bodensee. Im Hintergrund schneebedeckte Berge. Die weiße Pracht macht deutlich, dass wir uns mitten im Winter befinden, auch wenn das die angenehme Wärme im Großraumwagen nicht vermuten lässt.


Der Monitor über dem Gang zeigt an, dass wir 95 km/h fahren. Das ist schnell genug, nach meinem Geschmack könnte der Zug in dieser schönen Landschaft noch deutlich langsamer fahren. Nächster Halt Lindau-Reutin, der zweckmäßige neue Bahnhof „auf dem Festland“ mit dem Charme eines Discountmarktes. Den Abstecher über den Bodenseedamm auf die Insel und somit einen erneuten Fahrtrichtungswechsel spart sich der Zug. Gut für uns, so wird der Bodensee weiterhin direkt vor unserem Fenster bleiben. Andererseits könnten wir auch jederzeit auf die andere Gangseite wechseln, es sitzen nur zwei weitere Fahrgäste im 1. Klasse-Wagen. Einer, der sich mitten während der Fahrt seine Fingernägel feilt und einer, dessen telefonische Gesprächspartner scheinbar stark schwerhörig sind. Bornierte Beklopptheiten, die man eher nur in der 1. Klasse findet. Der minimale Mehrpreis für den Supersparpreis in der Ledersitz-Klasse hat sich trotzdem gelohnt.

In Bregenz füllt sich der Zug plötzlich. Kaum ist man in Österreich, fahren die Menschen scheinbar gerne und häufig Bahn. Könnte damit zusammenhängen, dass die ÖBB mit über 97 % Pünktlichkeit im Jahr 2021 eine der pünktlichsten Bahnen Europas ist. Was wiederum damit zusammenhängen könnte, dass Österreich pro Einwohner fast dreimal so viel Geld in sein Bahnnetz investiert wie Deutschland. Was wiederum damit zusammenhängen könnte, dass in Deutschland die Autolobby…

Nein, nicht mehr an Deutschland denken. Wir sind jetzt in Österreich. Das Land mit Impfpflicht und ausreichend PCR-Tests. Wir sind in den Bergen. Der Zug ist bequem und pünktlich. Der Himmel reißt allmählich auf – und wird uns in den nächsten zwei Tagen traumhaftes Sonnenwetter bescheren. Vor dem Fenster viele Erinnerungen an vergangene Besuche in Vorarlberg und insbesondere an meine Österreich-Radreise im vergangenen Juni.

Ab Bludenz schraubt sich der Zug auf der linken Talseite immer weiter bergauf. Die Außentemperatur nimmt ab, die Schneehöhe nimmt zu. Bis der Zug nach dem Halt in Langen schließlich im Arlbergtunnel verschwindet. 

Ab St. Anton hinter dem Arlberg geht es wieder bergab. Mit gemütlichen 70 km/h schaukelt der Railjet Express durch die Berglandschaft, überquert auf der beeindruckenden Trisannabrücke das Paznauntal und erreicht schließlich den Bahnhof Landeck-Zams. Hier heißt es Abschied nehmen von Ledersessel und Heizung. Wir steigen hinaus in den Tiroler Winter und freuen uns auf die anstehenden Schneewanderungen. Hinter uns ertönt die markante Tonleiter der Taurus-Lokomotive, die den Railjet heute noch bis nach Wien schieben wird. Zuverlässig, pünktlich und mit Fußstützen.