In den Jahrzehnten nach Karl Drais wurde das
Fahrrad kontinuierlich weiterentwickelt: Ab 1862 gab es die ersten
Pedalantriebe, ab 1885 löste das Niederrad mit unterschiedlich großen
Zahnrädern das unsichere Hochrad ab, ab 1888 gab es Luftreifen und 1898 die
erste Gangschaltung. Anfang des 20. Jahrhunderts war das Fahrrad schließlich
in vielen Städten das dominierende Verkehrsmittel. Erst mit der
Massenmotorisierung und dem Siegeszug des Automobils wurde das Fahrrad von den
Straßen verdrängt, es wurden breite asphaltierte Schneisen durch die Städte
geschlagen und die Siedlungen konnten sich weit „ins Grüne“ (das nun ja nicht
mehr grün ist) ausbreiten, weil mit dem Automobil weitere Pendeldistanzen
zurückgelegt werden können.
Seit einigen Jahren erlebt das Zweirad nun eine
weltweite Renaissance: Radschnellwege, öffentliche Radverleihsysteme,
Fahrradparkhäuser, grüne Wellen für Radfahrer – die Rahmenbedingungen für das
emissionsfreie und gesundheitsfördernde Fahrrad werden überall verbessert.
Städte auf der ganzen Welt vergleichen mit dem „Copenhagenize-Index“ ihre
Fahrradfreundlichkeit, denn sie wissen: Je fahrradfreundlicher wir sind, desto
mehr Lebensqualität bieten wir, also desto eher wollen sich Unternehmen und
Bürger bei uns ansiedeln.
Auch das Fahrrad selbst wurde in den letzten
Jahren deutlich verbessert: Es gibt nun Elektro-Fahrräder, mit denen auch
größere Steigungen kein Problem mehr darstellen und das Büro nicht nur ohne
Stau, sondern auch ohne Schweiß erreicht werden kann. Es gibt moderne Cargo-Bikes,
mit denen der Einkauf für die ganze Familie ohne Lärm und giftige Abgase nach
Hause gebracht werden kann. Es gibt neuerdings Fahrradlichter, deren
Leuchtkraft durchaus mit Autos-Scheinwerfern mithalten kann. Es gibt erstmals Fahrradbekleidung
und Fahrradhelme, die wirklich chic sind. Cafés, die cool sein wollen, hängen
sich Fahrräder an die Wand – und selbst Autowerbung, die ein junges, urbanes
Publikum ansprechen will, kommt nicht mehr ohne Fahrräder (als Ausdruck urbaner
Coolness, also das, was einmal das Auto war) aus.
Und wo steht Südtirol? Mit seinem gut
ausgebauten, etwa 500 Kilometer langen Radwegenetz ist Südtirol auf einem guten
(Rad-)weg, das Fahrrad als emissionsfreie Alternative zu etablieren. Natürlich
gibt es noch Lücken im Netz, es fehlen vielerorts sichere Abstellanlagen und es
fehlt – abgesehen von der Landeshauptstadt Bozen – vor allem eine „Radkultur“, also
ein Verständnis dafür, dass ein Radfahrer ein vollwertiger Verkehrsteilnehmer
ist und nicht nur jemand, der in seiner Freizeit gerne Berge und Täler
erradelt.
Der Bereich Green Mobility in der STA - Südtiroler
Transportstrukturen AG möchte einen Beitrag dazu leisten, dass sich in Südtirol
eine Radkultur entwickelt. Deshalb organisiert er gemeinsam mit dem Ökoinstitut
Südtirol den Fahrradwettbewerb „Südtirol radelt“, bei dem man auch etwas
gewinnen kann, wenn man regelmäßig mit dem Rad fährt. Die STA hat sichere
RadlBoxen an den Bahnhöfen initiiert und das Maßnahmenpaket „smart unterwegs“
mit ausgearbeitet, das künftig Förderungen für Fahrradprojekte vorsieht.
Außerdem wurde das Aktionslogo „200 Jahre Fahrrad – 200 anni bici“ beauftragt.
Alle Akteure in Südtirol dürfen das Logo für ihre Aktionen, Projekte und
Veranstaltungen zur Fahrradförderung verwenden, um dem Fahrrad mehr
Sichtbarkeit zu verleihen – und um zu zeigen: 200 Jahre nach der Jungfernfahrt
von Karl Drais ist das Fahrrad so modern wie noch nie zuvor.
Dieser Artikel wurde Naturschutzblatt des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz in Südtirol (Ausgabe 1/2017) veröffentlicht. Mehr Infos hier.