Montag, 22. Juli 2019

Da steckt der Wurm drin

Ich habe an dieser Stelle noch nie über einen Vertreter des Tierreichs geschrieben. Nun ist es endlich so weit. Und ich lege gleich richtig los: Meine erste Tier-Kolumne befasst sich mit dem schönsten, bedeutendsten und mächtigsten aller Tiere – dem Wurm.

Ok, das war jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben. Es gibt sicher schönere und wichtigere Tiere als den Wurm. Aber ich finde, dem Wurm wird Unrecht getan. Vor allem sprachlich: „kleiner Wurm“, „elender Wurm“ oder „du Würmchen“ ist absolut nicht nett gemein. Es ist auch kein Ausruf der Freude, wenn man sagt „da steckt der Wurm drin!“

Kein Schreiner möchte einen Holzwurm in den Möbeln, kein Kirschbaumbesitzer möchte, dass seine Kirschen wurmig sind, kein Haustierbesitzer möchte, dass sein Hund von Würmern befallen wird, kein Kind, das etwas angestellt hat, möchte, dass ihm die Eltern die Würmer aus der Nase ziehen und kein Informatiker möchte gerufen werden, wenn ein Computer vorm Wurm befallen wurde. Puh, das war jetzt aber ein echter Bandwurmsatz.

Der Wurm hat nicht nur einen schlechten Ruf, er hat auch viel Pech: Er wird vom frühen Vogel gefangen und beim Angeln als Köder missbraucht. Da kann der Wurm sich noch so winden, am Ende wird er gefressen.

Es wurmt mich, dass der Wurm immer für alles herhalten muss. Selbst in der Literatur wird er meist mit negativen Eigenschaften verbunden: Der Haussekretär des Präsidenten von Walter in Friedrich Schillers Kabale und Liebe heißt deshalb Wurm, weil er ein Schleicher und Intrigant ist. Der Lindwurm in alten germanischen Sagen soll sogar Menschen gefressen haben.

Aber Besserung ist in Sicht, zumindest in der Literatur: Julia Donaldson hat 2012 das Kinderbuch „Superwurm“ veröffentlicht. Der tollste Wurm der Welt hat Superkräfte und rettet zum Beispiel das Krötenkind, das die Straße überquert, vor dem Überfahren werden. Der Wurm als Held, so gefällt mir das.

Ein Wurm ist wirbellos, aber nicht sinnlos: Der Regenwurm zum Beispiel verbessert die Qualität des Bodens, den er bewohnt. Für unsere Böden ist es also durchaus sinnvoll, wenn sie vom Wurm befallen werden. Was wäre Star Trek ohne Wurmlöcher, durch die man Raum und Zeit überwinden kann? Und was wäre unser Blinddarm ohne Wurmfortsatz, in dem im Falle einer  Durchfallerkrankung nützliche Darmbakterien überleben können? Außerdem besitzt kein anderes Tier die faszinierende Eigenschaft, dass man es (Achtung, erst hinter dem 40. Element!) teilen kann und es trotzdem weiterlebt. Jedes Körpersegment eines Wurms besitzt nämlich die genetische Anlage, den After wieder auszubilden.

Diese Kolumne hingegen würde nicht weiterleben, wenn man sie nach 40 Zeilen einfach teilen würde. Sie würde dann keinen After neu ausbilden, sie wäre am Arsch.

Das ist kein Wurm, sondern eine Schlange
Dieser Artikel wurde in der Straßenzeitung Zebra (Ausgabe Januar 2019) veröffentlicht.
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