Mittwoch, 28. Dezember 2016

Wenn die Post nicht abgeht

Ich hab mich letztens gefragt, wo das Sprichwort „die Post geht ab“ herkommt. Ein Sprichwort mit einer solch dynamischen Bedeutung kann ja wohl nichts mit der Post zu tun haben. Denn hier in Südtirol geht die Post eher langsam ab. Eher ist es so, dass mir die Post abgeht, wenn ich mal wieder wochenlang auf ein Paket warte.

Mein digitaler Posteingang ist zwar ständig voll, der Briefkasten hingegen ist meistens leer. Mein Spiegel-Abo hab ich kürzlich auch auf digital umgestellt, weil es relativ witzlos ist, zwei Tage vor dem Erscheinen der nächsten Ausgabe endlich die alte Ausgabe aus dem Briefkasten fischen zu können. Nichts ist älter als die Zeitung von gestern? Doch, die von vor fünf Tagen! In Deutschland erscheint der Spiegel am Samstag, meinen Briefkasten erreichte er meist am folgenden Donnerstag. 100 Kilometer Luftlinie sind es von der deutschen Grenze zu meinem Bozner Briefkasten, fünf Tage braucht die italienische Post dafür. Das sind 20 Kilometer pro Tag. Oder 833 Meter pro Stunde. Die Postkutschen, die zu Goethes Zeiten über den Brenner geritten wurden, waren deutlich schneller unterwegs. „Jede Flaschenpost ist schneller als die Flaschen von der Post“, würde mein Mitbewohner sagen.

Man stelle sich vor, man müsste E-Mails mit der italienischen Post verschicken – die Mails würden immer erst zwei Tage auf einem Server in Verona rumliegen, bevor sie an den Empfänger ausgeliefert werden. Man stelle sich vor, statt der „Friedensreiter“, über die 1648 zwischen Münster und Osnabrück die neuesten Updates der Friedensverhandlungen ausgetauscht wurden, hätte man die italienische Post eingesetzt – in den Geschichtsbüchern würde man wohl vom „31-jährigen Krieg“ sprechen.

Die Langsamkeit der italienischen Post hat nichts mit bürokratischen Strukturen zu tun, und schon gar nichts mit ihren wirklich netten Mitarbeiter*innen – nein, sie lässt sich wortklauberisch begründen: das lateinische Präfix „post“ steht nun einmal für „nach, hinter“. Das klingt ja schon irgendwie langsam. Der Postkolonialismus kam (und kommt…) nach dem Kolonialismus, der Postfeminismus nach dem Feminismus, die Post erst nach fünf Tagen. 

Würde man das Unternehmen in „Italienische Prä“ umbenennen – vielleicht wären sämtliche Probleme gelöst. Dann würde „vor“her geliefert, und nicht erst „hinter“her. „Italienische Prä AG“. Das wär doch ein attraktiver Firmenname. Ich könnte ihn per stille Post verbreiten. Oder auf Facebook einen Post dazu schreiben, im Jahre 2016 post Christum macht man das so. Ich kann den Post auch postdatieren. 

Genug der postalischen Wortspiele. In Wirklichkeit leitet sich der Name der Post vom spätlateinischen positum ab und bezeichnet eine Position, also die „Post“ im Sinne von „Poststation“. Man geht ja zur Post. Was meistens schneller geht, als dass die Post zu einem kommt. Im schlimmsten Fall kommt die Post sogar erst postum.

Die (deutschen) Eltern von Handy und E-Mail
Oranger (niederländischer) Briefkasten im Grünen

Dieser Artikel wurde in der Straßenzeitung Zebra (Ausgabe 12/2016) veröffentlicht.
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