Samstag, 3. November 2018

Norwegen (Skandinavien 5)


Lofoten


Fast 400 Kilometer lang ist die Straße von Narvik bis ans Ende der Welt, der bequeme Bus braucht dafür etwa 7 ½ Stunden. Die Straße ist gut ausgebaut und verbindet verschiedene Inseln miteinander, ohne dass man auch nur einmal auf eine Fähre wechseln müsste: Über hohe Brücken und durch tiefe Tunnels, vorbei an hübschen Buchten und schroffen Felswänden wird die Straße allmählich schmaler, bis sie in Å schließlich ganz endet. Der letzte auf der Straße erreichbare Ort der Lofoten heißt so wie der letzte Buchstabe im norwegischen Alphabet. Hier stehen ein paar hübsche Holzhäuser auf instabil wirkenden Holzstämmen. Das Ganze erinnert eher an Mikado als an irgendeinen anderen Ort, in dem man schonmal gewesen wäre. Ein Fischereimuseum und ein Stockfischmuseum, ein Restaurant und zwei Cafés locken Gäste an. Als wir ankommen, sind die meisten Tagesbesucher aber schon verschwunden und im Ortszentrum nur noch der Hier-findet-man-alles-Laden geöffnet. Was auch immer man als (Rucksack-)Reisender am Ende der Welt vergessen haben könnte, in diesem Laden findet man es: Nudelsauce, Ersatzbatterien, Gas-Katuschen, Zahnpasta – und natürlich warme Pullis und Mützen. Hier ist es nämlich echt verdammt kalt. Zum Glück habe ich Winterjacke, Stirnband und Handschuhe dabei, sie kommen an diesem 12. August zum Einsatz.

Die Möwen kreischen, der Wind pfeift, der Fisch riecht. Und es will einfach nicht dunkel werden. Das Ende der Welt haben wir erreicht, das Ende des Tages lässt noch auf sich warten. Die Lofoten wachsen uns schnell ans Herz. Die Begeisterung der Italiener für das Stockfisch-Museum unter unserem Jugendherbergszimmer teilen wir nicht, aber die Liebe vieler Norwegenurlauber zu den Lofoten können wir sehr schnell nachvollziehen.



Norwegen und der Kaffee

„Kafé denne vei“ steht in gelben Buchstaben auf der Digitalanzeige, die ansonsten Name und Seehöhe des nächsten Bahnhofs entlang der Nordlandbahn ankündigt. „Kaffee in diese Richtung.“ Ein Blick auf die Digitalanzeige am anderen Ende des Waggons: Dort steht „Kafé motsatt vei“, Kaffee in die andere Richtung. Natürlich gibt es im Speisewagen eine große Auswahl an Speisen und Getränken, aber angelockt werden die Fahrgäste mit der Aussicht auf ein koffeinhaltiges Heißgetränk. 

So schwer es ist, in Skandinavien an Alkohol zu kommen, so leicht ist es, an Kaffee zu kommen. Ein großer Teil der Skandinavier scheint regelrecht koffeinsüchtig zu sein und kippt die schwarze Brühe literweise in sich hinein – ich bin also nicht allein. Einen Kaffee kaufen bedeutet meist, einen leeren Becher bzw. eine leere Tasse zu „kaufen“, den oder die man dann an einer Thermoskanne nach Belieben füllen kann. Gerne auch mehrmals. In Pro-Kopf-Kaffeekonsum-Statistiken stehen die skandinavischen Länder immer ganz oben, so wie in allen anderen Rankings von Lebensqualität bis Gleichberechtigung ja auch. Es ist davon auszugehen, dass skandinavische Winter ohne literweise Kaffee nicht auszuhalten wären. Und es ist natürlich davon auszugehen, dass der Kaffee, den ich gerade mit Blick auf den Ranafjord genieße, nicht der letzte der Reise sein wird.


Norwegen und das Öl

Ein Pazifist, der Waffen verkauft, ist irgendwie unlogisch. Aber was ist meinem Umweltschützer, der Öl verkauft? Eigentlich auch unlogisch. Norwegen ist also unlogisch. Das Land erzeugt seinen Strom größtenteils aus Wasserkraft, ist weltweiter Vorreiter beim Thema Elektromobilität, ja lässt sogar Fährschiffe mit Strom und Gas fahren – und dann exportiert es pro Jahr 1,4 Mio. Barrel Erdöl, dessen Verbrennung den Klimawandel beschleunigt. 

Anders als in anderen Erdöl exportierenden Ländern scheint es in Norwegen zu gelingen, große Teile der Bevölkerung an den Gewinnen der (staatseigenen) Erdölindustrie teilhaben zu lassen: Sie fließen zu 96 % in den staatlichen Rentenfonds, der dadurch zum größten Staatsfonds der Welt wurde. So weit, so vorbildlich. 


Im Ölmuseum in Stavanger wird nicht nur erklärt, wie das Öl in der Nordsee gefördert wird und wer davon profitiert, sondern auch, welchen Schade das Öl (anderswo) anrichtet. Den Austellungsteil über Klimawandel und Umweltschutz gäbe es in vergleichbaren Museen in den USA oder Saudi-Arabien vermutlich nicht. Und dennoch: Es ist auch interessant, worüber das sehenswerte Museum NICHT berichtet. Kein Wort zu Öllecks auf hoher See, versenkten Ölplattformen und den Auswirkungen der Exploration neuer Öl- und Gasfelder auf die Meeresfauna. Der Mensch, der auf den Ölplattformen arbeitet, nimmt im Museum deutlich mehr Raum ein als das Tier, das darunter durchschwimmt. Aber ein Pazifist, der selber Krieg gegen Tiere führt – als solchen will man sich im Museum dann doch nicht darstellen. Man belässt es beim Umweltschützer, der Erdöl exportiert.




Norwegen und das Wasser

Wer in Norwegen wandert, der wird nass. Ob auf den Lofoten, auf dem Weg zum Preikestolen oder oberhalb von Bergen: Wir haben nicht nur Wasser gesehen, wir haben es auch gespürt. So deutlich, dass uns allmählich die trockenen Klamotten ausgegangen sind. Und wir folglich auf eine erneute Regenwanderung entlang der Hardangervidda verzichtet haben. Aber bei allem Unmut über das Wetter mit seinen gefährlichen Auswirkungen (unter dem nassen Fels auf den Lofoten wird meine Schulter noch mehrere Wochen lang leiden): Wandern in Norwegen ist grandios! Von unserem abenteuerlichen, kaum markierten Matschpfad auf den Lofoten über die von nepalesischen Sherpas ausgebaute Wanderautobahn zum Preikestolen bis hin zu den Naherholungsgebiet-Schotterwegen auf dem Fløyen: Wir hatten Spaß. Wofür zum Teil nicht nur die grandiose Landschaft gesorgt hat, sondern auch das Verhalten der Mitmenschen. Beispiel Preikestolen: Es war schon irgendwie lustig, wie sich alle in das Abenteuer „trotz Dauerregen zum Preikstolen wandern“ stürzen – und dann der Reihe nach abbrechen. Die (vor)lauten Italiener kapitulieren nach 200 m, die trägen Spanier nach 400 m; die unhöflichen Asiaten mit ihren glatten Schuhen nach 1,5 km; die orientierungslosen Russen verlaufen sich nach 2 km (geben es gegenüber einer Frau aber nicht zu). Nach 4 km sind fast nur noch Deutsche und Norweger übrig und teilen sich die bekannte Plattform über dem Fjord. Die zwar kleiner ist als im Prospekt, aber auf alle Fälle alle Mühen wert. An diesem einen Tag im Jahr zahlt es sich endlich mal aus, dass wir Deutsche immer in Outdoor-Kleidung unterwegs sind. Den Rest des Jahres können sich die schicken Italiener dann gerne wieder über unsere Outdoorjacken lustig machen - heute können wir mal sie auslachen.









Norwegens größte Städte...

...Bergen und Oslo werden durch die Bergenbahn miteinander verbunden, die verständlicherweise in keinem Ranking der schönsten Bahnstrecken Europas/der Welt fehlt. Das Abschluss-Video zeigt ein paar Eindrücke der letzten zwei Urlaubstage und der zwei größten Städte des Landes: