Donnerstag, 29. Juni 2017

Das Fahrrad – Mit 200 Jahren im besten Alter

Als Karl Drais im Juni 1817 mit seiner Laufmaschine von Mannheim zum Schwetzinger Relaishaus fuhr, hätte er sicher nicht gedacht, dass er die Basis für ein Verkehrsmittel gelegt hat, dass auch 200 Jahre danach noch eine sehr wichtige Rolle spielt – das Fahrrad 

In den Jahrzehnten nach Karl Drais wurde das Fahrrad kontinuierlich weiterentwickelt: Ab 1862 gab es die ersten Pedalantriebe, ab 1885 löste das Niederrad mit unterschiedlich großen Zahnrädern das unsichere Hochrad ab, ab 1888 gab es Luftreifen und 1898 die erste Gangschaltung. Anfang des 20. Jahrhunderts war das Fahrrad schließlich in vielen Städten das dominierende Verkehrsmittel. Erst mit der Massenmotorisierung und dem Siegeszug des Automobils wurde das Fahrrad von den Straßen verdrängt, es wurden breite asphaltierte Schneisen durch die Städte geschlagen und die Siedlungen konnten sich weit „ins Grüne“ (das nun ja nicht mehr grün ist) ausbreiten, weil mit dem Automobil weitere Pendeldistanzen zurückgelegt werden können.

Seit einigen Jahren erlebt das Zweirad nun eine weltweite Renaissance: Radschnellwege, öffentliche Radverleihsysteme, Fahrradparkhäuser, grüne Wellen für Radfahrer – die Rahmenbedingungen für das emissionsfreie und gesundheitsfördernde Fahrrad werden überall verbessert. Städte auf der ganzen Welt vergleichen mit dem „Copenhagenize-Index“ ihre Fahrradfreundlichkeit, denn sie wissen: Je fahrradfreundlicher wir sind, desto mehr Lebensqualität bieten wir, also desto eher wollen sich Unternehmen und Bürger bei uns ansiedeln. 

Auch das Fahrrad selbst wurde in den letzten Jahren deutlich verbessert: Es gibt nun Elektro-Fahrräder, mit denen auch größere Steigungen kein Problem mehr darstellen und das Büro nicht nur ohne Stau, sondern auch ohne Schweiß erreicht werden kann. Es gibt moderne Cargo-Bikes, mit denen der Einkauf für die ganze Familie ohne Lärm und giftige Abgase nach Hause gebracht werden kann. Es gibt neuerdings Fahrradlichter, deren Leuchtkraft durchaus mit Autos-Scheinwerfern mithalten kann. Es gibt erstmals Fahrradbekleidung und Fahrradhelme, die wirklich chic sind. Cafés, die cool sein wollen, hängen sich Fahrräder an die Wand – und selbst Autowerbung, die ein junges, urbanes Publikum ansprechen will, kommt nicht mehr ohne Fahrräder (als Ausdruck urbaner Coolness, also das, was einmal das Auto war) aus.

Und wo steht Südtirol? Mit seinem gut ausgebauten, etwa 500 Kilometer langen Radwegenetz ist Südtirol auf einem guten (Rad-)weg, das Fahrrad als emissionsfreie Alternative zu etablieren. Natürlich gibt es noch Lücken im Netz, es fehlen vielerorts sichere Abstellanlagen und es fehlt – abgesehen von der Landeshauptstadt Bozen – vor allem eine „Radkultur“, also ein Verständnis dafür, dass ein Radfahrer ein vollwertiger Verkehrsteilnehmer ist und nicht nur jemand, der in seiner Freizeit gerne Berge und Täler erradelt. 

Der Bereich Green Mobility in der STA - Südtiroler Transportstrukturen AG möchte einen Beitrag dazu leisten, dass sich in Südtirol eine Radkultur entwickelt. Deshalb organisiert er gemeinsam mit dem Ökoinstitut Südtirol den Fahrradwettbewerb „Südtirol radelt“, bei dem man auch etwas gewinnen kann, wenn man regelmäßig mit dem Rad fährt. Die STA hat sichere RadlBoxen an den Bahnhöfen initiiert und das Maßnahmenpaket „smart unterwegs“ mit ausgearbeitet, das künftig Förderungen für Fahrradprojekte vorsieht. Außerdem wurde das Aktionslogo „200 Jahre Fahrrad – 200 anni bici“ beauftragt. Alle Akteure in Südtirol dürfen das Logo für ihre Aktionen, Projekte und Veranstaltungen zur Fahrradförderung verwenden, um dem Fahrrad mehr Sichtbarkeit zu verleihen – und um zu zeigen: 200 Jahre nach der Jungfernfahrt von Karl Drais ist das Fahrrad so modern wie noch nie zuvor.

http://www.greenmobility.bz.it/themen/radmobilitaet/
Dieser Artikel wurde Naturschutzblatt des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz in Südtirol (Ausgabe 1/2017) veröffentlicht. Mehr Infos hier.

Mittwoch, 28. Juni 2017

Stadt findet statt

Es sind immer seltener Politiker, die die wichtigen Entscheidungen treffen. Offensichtlich sind es die Städte, die handeln und entscheiden: Stadt findet statt.

Vor langer langer Zeit, als das Freibier noch 1.000 Lire gekostet hat, da waren es noch Politiker (ja, meistens tatsächlich Politiker, Politikerinnen gab es damals noch nicht viele), die wichtige Entscheidungen entschieden haben, die Beschlüsse beschlossen haben, die Geschichte gemacht haben. Napoleon Bonaparte in Paris, Franz Josef in Wien, Otto von Bismarck in Berlin. Es waren einzelne mächtige Menschen, die geherrscht haben – und nach denen alles benannt wurde: Der Code Napoleon, der Kaiserschmarrn, der Bismarck-Hering.

Dann kam die Demokratie. Und mit ihr die Gefahr, abgewählt zu werden, wenn man etwas falsch gemacht hat. Oder wenn man etwas Mutiges gemacht hat, dessen positive Effekte sich erst nach der nächsten Wahl einstellen. Nun kann man entweder aufhören, mutige Beschlüsse zu fassen – oder man hört auf, diese Beschlüsse mit den Namen einzelner Politiker in Verbindung zu bringen. Eine Alternative war schnell gefunden: Städte.

Ja, in der Politik des 21. Jahrhunderts sind es vor allem die Städte, die handeln: Moskau behauptet etwas, Washington widerspricht. London sitzt nicht mehr am Verhandlungstisch. Athen sind von Brüssel die Hände gebunden. 

Auch die Abkommen und Verträge des 21. Jahrhunderts sind nach Städten benannt: Schengen. Dublin. Lissabon. Maastricht. Athen verstößt gegen Maastricht, Stockholm setzt Schengen aus – wie reagiert Berlin?

Trotz der stattlichen Zahl an Städten in der EU gibt es natürlich ein Problem: Irgendwann sind alle Städtenamen aufgebraucht, für weitere Abkommen muss man sich etwas Neues ausdenken. Die naheliegende Lösung: Man nimmt einfach dieselbe Stadt nochmal und nummeriert durch. Also zum Beispiel „Dublin 2“. Dublin 2 hat sich aber nicht bewährt. 

Die sich aufdrängende Alternative ist es, die EU zu erweitern. Dann gäbe es neue Städte, nach denen man EU-Abkommen benennen könnte. Was wohl der Inhalt von „Belgrad“ oder „Novi Sad“ sein wird? Oder der von „Tirana“? „Antalya“ kommt wohl vorerst nicht in Frage. Oder aber, man nimmt kleinere Orte, so wie man es mit „Schengen“ ja schonmal probiert hat. Die Collage auf dieser Seite zeigt ein paar mögliche Kandidaten.

Anregungen für Städtenamen kann man sich ansonsten auch in der Kultur holen: Casablanca in Kino, Offenbach im Konzertsaal. Und in den Musik-Charts: New York, Rio, Rosenheim. 

Nicht nur in Politik und Kultur, auch im Sport haben Städte eine große Bedeutung: Leipzig vor Dortmund; Madrid gegen Barcelona; Manchester verkauft an Chicago. Paris gewinnt Kitzbühel.

Man vergisst ganz, dass Städte ja eigentlich Reiseziele sind. Man könnte zum Beispiel nach Norwegen fahren und ein Hammerfest feiern. So wie die Hamburg-Mannheimer in Budapest.
Aber dem steht wohl die italienische Bürokratie im Weg, denn: Alle Wege führen nach Rom.

Dieser Artikel wurde in der Straßenzeitung Zebra (Ausgabe 6/2017) veröffentlicht.
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