Vor langer langer
Zeit, als das Freibier noch 1.000 Lire gekostet hat, da waren es noch Politiker
(ja, meistens tatsächlich Politiker, Politikerinnen gab es damals noch nicht
viele), die wichtige Entscheidungen entschieden haben, die Beschlüsse beschlossen
haben, die Geschichte gemacht haben. Napoleon Bonaparte in Paris, Franz Josef
in Wien, Otto von Bismarck in Berlin. Es waren einzelne mächtige Menschen, die geherrscht
haben – und nach denen alles benannt wurde: Der Code Napoleon, der
Kaiserschmarrn, der Bismarck-Hering.
Dann kam die
Demokratie. Und mit ihr die Gefahr, abgewählt zu werden, wenn man etwas falsch
gemacht hat. Oder wenn man etwas Mutiges gemacht hat, dessen positive Effekte
sich erst nach der nächsten Wahl einstellen. Nun kann man entweder aufhören,
mutige Beschlüsse zu fassen – oder man hört auf, diese Beschlüsse mit den Namen
einzelner Politiker in Verbindung zu bringen. Eine Alternative war schnell
gefunden: Städte.
Ja, in der
Politik des 21. Jahrhunderts sind es vor allem die Städte, die handeln: Moskau
behauptet etwas, Washington widerspricht. London sitzt nicht mehr am
Verhandlungstisch. Athen sind von Brüssel die Hände gebunden.
Auch die Abkommen
und Verträge des 21. Jahrhunderts sind nach Städten benannt: Schengen. Dublin.
Lissabon. Maastricht. Athen verstößt gegen Maastricht, Stockholm setzt Schengen
aus – wie reagiert Berlin?
Trotz der
stattlichen Zahl an Städten in der EU gibt es natürlich ein Problem: Irgendwann
sind alle Städtenamen aufgebraucht, für weitere Abkommen muss man sich etwas
Neues ausdenken. Die naheliegende Lösung: Man nimmt einfach dieselbe Stadt
nochmal und nummeriert durch. Also zum Beispiel „Dublin 2“. Dublin 2 hat sich
aber nicht bewährt.
Die sich
aufdrängende Alternative ist es, die EU zu erweitern. Dann gäbe es neue Städte,
nach denen man EU-Abkommen benennen könnte. Was wohl der Inhalt von „Belgrad“
oder „Novi Sad“ sein wird? Oder der von „Tirana“? „Antalya“ kommt wohl vorerst
nicht in Frage. Oder aber, man nimmt kleinere Orte, so wie man es mit „Schengen“
ja schonmal probiert hat. Die Collage auf dieser Seite zeigt ein paar mögliche
Kandidaten.
Anregungen für
Städtenamen kann man sich ansonsten auch in der Kultur holen: Casablanca in
Kino, Offenbach im Konzertsaal. Und in den Musik-Charts: New York, Rio, Rosenheim.
Nicht nur in
Politik und Kultur, auch im Sport haben Städte eine große Bedeutung: Leipzig
vor Dortmund; Madrid gegen Barcelona; Manchester verkauft an Chicago. Paris
gewinnt Kitzbühel.
Man vergisst
ganz, dass Städte ja eigentlich Reiseziele sind. Man könnte zum Beispiel nach
Norwegen fahren und ein Hammerfest feiern. So wie die Hamburg-Mannheimer in
Budapest.
Aber dem steht
wohl die italienische Bürokratie im Weg, denn: Alle Wege führen nach Rom.
Dieser Artikel wurde in der Straßenzeitung Zebra (Ausgabe 6/2017) veröffentlicht.
Der Kauf der Zebra lohnt sich meiner Meinung nach sowohl für Käufer (weil die Inhalte wirklich interessant sind) als auch für Verkäufer (weil sie einen Euro vom Verkaufspreis behalten dürfen und einen Zugang zu Arbeitswelt und sozialen Kontakten erhalten). Mehr Infos hier.
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