Esslingen,
30.03.2021 – Die lang ersehnte Nachricht der WHO ist da: Der
Impfstoff gegen COVID-19
ist zugelassen. In den nächsten Wochen werden Millionen von Menschen –
beginnend mit Risikopatienten – geimpft werden und ein für alle Mal
immun sein gegen das Corona-Virus, das die ganze Welt fast eineinhalb
Jahre lang
beschäftigt hat. Corona ist nun also endlich kein lebensgefährliches
Virus
mehr, sondern nurmehr ein kopfschmerzverursachendes mexikanisches Bier.
Es ist also Zeit,
die Frage zu stellen: Was ist geblieben von der Pandemie? Natürlich großes Leid
in den zahlreichen Familien, die Angehörige verloren haben. Eine weltweit
gestiegene Arbeitslosigkeit, weil viele insbesondere kleinere Geschäfte nach
dem Shutdown nicht wieder geöffnet haben. Die Staatsverschuldung ist fast überall
gestiegen und somit die Vulnerabilität: Bei der nächsten vergleichbaren Krise werden
viele Länder nicht mehr in der Lage sein, finanziell derart großzügig zu
reagieren – aber vielleicht ist das ja auch gar nicht mehr nötig?
Nicht, dass es
nicht ähnliche Pandemien auch in Zukunft geben kann. Aber das Verhalten von uns
allen hat sich in den letzten eineinhalb Jahren derart stark verändert, dass die
nächste Krise wohl weniger tödlich sein wird. Auch in Europa ist es nun endlich
üblich, dass Erkältete mit Mundschutz in der Öffentlichkeit unterwegs sind.
Sich in die Hand zu nießen (und mit der Hand dann später Gegenstände im
öffentlichen Raum anzufassen) – ist nun weltweit geächtet. Lebenswichtige
Produkte werden auch wieder in Hochlohnländern produziert. Überhaupt hat sich
in der Corona-Krise herauskristallisiert, dass Gesundheit wichtiger ist als Profite.
Nur so ist zu erklären, dass der deutsche Staat private Krankenhäuser wieder
verstaatlicht hat. Es geht nicht nur im deutschen Gesundheitssystem nun wieder
vermehrt darum, Menschen zu heilen, Angestellte menschenwürdig zu behandeln und
Kapazitäten für den Ernstfall vorzuhalten. Die Zeit der Fallprämien für
sinnlose Operationen ist vorbei, die Zeit für eine Bürgerversicherung anstelle
der bislang vorherrschenden Zweiklassenmedizin scheint gekommen.
Endlich darf man auch wieder das Haus verlassen, um links oder rechts abzubiegen. |
Auch gesellschaftlich
hat sich einiges geändert: Lehrer und Pflegekräfte werden seit der Krise deutlich
höher angesehen – letztere auch endlich deutlich besser bezahlt. Viele Eltern
mussten in der quälend langen Phase der Schulschließung einsehen, dass ihre
kleinen Kackbratzen doch keine Wunderkinder sind. Und Väter im Homeoffice haben
erstmals verstanden, wie viel Arbeit Hausarbeit ist. Überhaupt Homeoffice: Das
Arbeitsleben in Deutschland hat sich stark verändert. Die Zahl der Menschen,
die zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten, hat sich auf ein Maß erhöht,
das vorher nur aus Skandinavien und den Niederlanden bekannt war. Plötzlich
geht vieles digital, wofür vorher lange Dienstreisen und kurze Flüge nötig
waren.
Nicht nur der
stark gesunkene Flugverkehr hat 2020 zu einem Jahr gemacht, in dem sich die
Natur vom Menschen erholen konnte. Vieles spricht dafür, dass ein paar der
Umweltschutzerrungenschaften erhalten bleiben: Jetzt, wo sich Videokonferenzen
flächendeckend durchgesetzt haben, wird es weiterhin weniger Dienstreisen geben
als vor der Pandemie. Und jetzt, wo die Menschen in chinesischen Großstädten
mal wieder wissen, wie sich saubere Luft einatmet und die verblieben Bewohner von
Venedig wieder wissen, wie saubere Kanäle ausschauen, wollen sie diese
Errungenschaften unbedingt beibehalten und setzen sich vehement dafür ein.
Ein tödliches
Virus als Blaupause für die Rettung des Planeten? Um das beurteilen zu können,
ist es noch zu früh. Aber dass Donald Trump und Boris Johnson die Corona-Krise
politisch nicht überlebt haben, dürfte für künftige internationale Umweltschutzvereinbarungen
eine gute Nachricht sein.
Solche Fotos konnte man 2020 an vielen Orten machen, auch in Esslingen |
Wer
die Corona-Krise
nach anfänglichen Schwierigkeiten gut überstanden hat, ist die
Europäische
Union. Lange hatte es gedauert, bis sich Europa solidarisch gezeigt und
Spanien
und Italien großzügig unterstützt hat, letztendlich dann ja doch auch
mit Euro-Bonds, auch wenn die auf deutschen Wunsch hin nicht so heißen
durften.
Auch die EU-skeptischen Regierungen in Polen, Ungarn und der Slowakei
profitieren
davon, dass in der EU produzierte Schutzmasken und Beatmungsgeräte
innerhalb
der Union nach Bedürftigkeit verteilt wurden und wohl auch künftig
werden. Die
Erkenntnis, dass man nur gemeinsam stark ist, hat sich am Ende
durchgesetzt.
Wie wir heute
wissen, war die Nation in Europa mit den meisten Todesopfern nicht Spanien oder
Italien, sondern das Vereinigte Königreich. Unterstützung aus der EU hätte sicher
geholfen, aber aus der ist man ja kurz vor Ausbruch der Krise ausgeschieden. Umfragen
zufolge wünschen sich aktuell 73 % der Briten eine Rückkehr in die
Europäische Union. Die Braccess-Debatte ist eröffnet.
Wir warten also
darauf, wie sich die Debatte in Großbritannien weiterentwickelt. Freuen uns auf
Europameisterschaft und Olympische Spiele, die ja nun bald nachgeholt werden.
Und ignorieren hoffentlich die Ignoranz der Impfgegner, die mit ihren irrationalen
und egoistischen Argumenten auch gegen die COVID-19-Impfung trommeln. Ein kleiner
Pieks tut nicht weh, kann aber Menschenleben retten und das Gesundheitssystem
entlasten. Nun ist der Pieks endlich zugelassen.
Das Leben mit Corona ist beendet, wir können unsere Sehnsucht nach Süden wieder ausleben. |
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