Unsere Opas haben uns vom Krieg erzählt. Wir werden unseren Enkeln von Corona erzählen. Das Virus, das vorübergehend alles zerstört hat, sogar unsere Vorurteile.
Was war unser Leben so normal, bevor dieses Virus kam: Wir sind morgens zur Arbeit gefahren und abends wieder zurück. Am Wochenende waren wir feiern. Im Urlaub haben wir uns in anderen Ländern unsere Klischees und Vorurteile über andere Völker bestätigen lassen. Die chaotischen Südeuropäer, die korrupten Osteuropäer, die peniblen Skandinavier – kein Wunder, dass sich die EU nur streitet und nie eine sinnvolle Lösung findet, wenn nicht alle so zielstrebig und fleißig sind wie wir Deutschen. Nach zwei Wochen Laissez-faire oder Dolce Vita sind wir wieder zurückgefahren ins teutonische Vaterland und haben unser Spießerleben weitergelebt.
Dann kam Corona. Und plötzlich ist alles anders. ALLES. Wir fahren nicht mehr zur Arbeit, weil ein Homeoffice-Antrag jetzt nicht mehr drei Monate lang bearbeitet wird, sondern Home-Office von heute auf morgen verordnet wird. Wir gehen nicht mehr feiern, weil das die Viren-Ausbreitung beschleunigen würde. Wir fahren nicht mehr in den Urlaub, weil es plötzlich keine Reisefreiheit mehr gibt. Rottach-Egern statt Rimini, Paderborn statt Paris – die Deutschen müssen 2020 ohne Laissez-faire und Dolce Vita auskommen, sondern sich stattdessen an strenge Coronaregeln halten, während im Süden weiterhin das Chaos und im Osten die Korruption herrschen. Oder?
Nein! Wer verhängt einen strengen Lockdown mit de facto Hausarrest? Etwa die peniblen Skandinavier? Nein, die Franzosen und Italiener machen das. Und halten sich daran. Während die Schweden auf dem Weg zur Herdenimmunität über ziemlich viele Leichen gehen - Hauptsache, sie müssen nicht ihr geselliges Leben im öffentlichen Raum einschränken (ihr WAS?). Und die zielstrebigen, fleißigen Deutschen? Die setzen sich Aluhüte auf, ignorieren vom Staat verhängte Verordnungen und riskieren als selbsternannte „Querdenker“ Menschenleben. Deutschland verheddert sich in einem bizarren Föderalismuswirrwarr, bei dem Bewohner des Landkreises Gütersloh nicht mehr in Bayern übernachten dürfen, in Sachsen-Anhalt aber schon, während sich die Italiener an die landesweit einheitlichen Regeln des starken Staates halten. Die Italiener! Starker Staat! Ein starkes Stück.
„Abgesagt“ ist angesagt im Jahr, in dem alles anders ist. |
Hoffentlich landet Corona bald im Müll. |
Auch Hans und Gerlinde mussten wegen Corona schließen. |
Alles ist anders, als es vorher war. Wenigstens auf die EU scheint zu Beginn der Pandemie Verlass zu sein: Auch auf digitalen Konferenzen kommt sie zu keinen sinnvollen, mutigen Beschlüssen. Also alles wie immer, nur digital? Mitnichten: Die EU ringt sich dazu durch, gemeinsam – ich wiederhole nochmal: GEMEINSAM! – Impfstoffe zu bestellen und diese auf die 27 Mitgliedsländer zu verteilen. Und zwar – jetzt kommt’s! – nach dem Schlüssel der Einwohnerzahl: Je mehr Einwohner ein EU-Staat hat, desto mehr Impfstoffe kriegt er. Das ist so einfach wie genial – war bei der Verteilung von Flüchtlingen aber bislang völlig undenkbar.
Nochmal zum Mitschreiben: Die Italiener folgen ihrem funktionierenden Staat, während die Deutschen irrationalen Argumenten folgen und sich in der Spießbürger-Hauptstadt Stuttgart eine „Krawall-Nacht“ mit gewalttätigen Ausschreitungen ereignet. Die EU fasst indes Beschlüsse, die eine sinnvolle Verteilung auf alle Mitgliedsländer vorsehen. Und welches der EU-Mitglieder ist besonders gut durch die erste Welle der Pandemie gekommen? Genau, Griechenland.
Was ist mit unseren Klischees passiert? Wie konnten all unsere Vorurteile widerlegt werden? Was hat dieses verdammte Virus da angerichtet? Da muss irgendwas falsch programmiert worden sein, die 0en sind plötzlich 1en und die 1en sind plötzlich 0en. Wer kann dafür nur verantwortlich sein? Wer kann so gut programmieren, dass er alle unsere Vorurteile außer Kraft setzen kann?
Die Antwort ist so eindeutig wie beängstigend: Bill Gates ist schuld.
Dieser Artikel wurde zum ersten Mal im Battle of Blogs gepostet.
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